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FC Bayern und die MeisterschaftDie Trägheit frisst den Monopolisten

Die Bayern sind Meister, beinahe jedenfalls. Dieser Titel für die wackelnden Münchner sagt mehr über die Qualität der Liga als über die des Klubs.

Noch feiern nur die Bayern-Fans: Anhängerschaft mit Schale beim Spiel gegen Leipzig – zu früh gefreut Foto: Matthias Schrader

E s hat am Samstagabend dann doch noch nicht gereicht für den offiziellen Jubel der Münchner Herren. Die Bayern spielten mittelmäßig, wie so oft, waren in der Defensive viel zu leicht zu überrumpeln, wie so oft, und fingen beim 3:3 in Leipzig noch ein spätes Gegentor – wie so oft.

Aber natürlich werden sie bald Meister sein, vielleicht schon, wenn diese Zeilen noch taufrisch sind. Es ist ein Titel, der mehr über die Bundesliga sagt als über die Bayern selbst. Wie freundlich man diesem wankenden FC Bayern über die Saison Spalier gestanden hat, zeigt vor allem eines: wie wenig konkurrenzfähig die obere Hälfte der Liga ist.

Immerhin sieben Unentschieden und zwei Niederlagen haben sich die Bayern geleistet; sie hatten große Mühe auch gegen die starken Kleinen wie Bochum, Kiel und St. Pauli. Doch Leverkusen war noch unkonstanter, und sonst gibt es derzeit kein Spitzenteam. In Dortmund und Leipzig wird zu viel Geld verbrannt, und die sozia­len Aufsteiger aus Frankfurt oder Freiburg dürften sich manchmal selbst die Augen reiben über diese Höhen – sie sind auch ein Symptom der Schwäche der Liga.

Deutscher Fußball oft zu ausrechenbar

Dieses Dilemma hat natürlich auch der FC Bayern selbst verursacht. Der Monopolist frisst alle, und die intellektuelle Trägheit frisst am Ende den Monopolisten selbst. Es ist aber auch ein Dilemma, an dem der deutsche Fußball seinen Anteil hat. Die internationalen Partien des Rekordmeisters haben gezeigt, wie leicht schlechter finanzierte Teams wie Inter Mailand oder Aston Villa die Bayern dominieren können. Die größte Schwäche ist nicht die vielzitierte Defensive, sondern, wie ausrechenbar die Bayern offensiv sind.

Schieben den Ball 75 Mal um den Strafraum herum, bis sich schließlich irgendwer mit individueller Klasse hinter die letzte Kette dribbelt oder aus der Ferne draufhält. Und das erinnert durchaus an die DFB-Teams übrigens beider Geschlechter, die zuletzt ähnlich ratlos vor des Gegners Tor den Ball herumschoben, in ­einer lahmen Variante von Guardio­la 2015. Das Kreieren von Torgefahr fällt auch den Bayern-Frauen schwer. Wenn verschiedene Teams gleiche Symptome aufweisen, ist das kein gutes Zeichen.

Aber natürlich ist das nur relevant für jene Fans, denen der internationale Vergleich wichtig ist. Für alle Freiburger:innen, Frank­fur­te­r:in­nen, Main­ze­r:in­nen und andere gilt: In dieser Liga kann man noch träumen. Zumindest, bis sich die Tanker aus der zweiten Reihe vorbeischieben.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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